2012-11-27

EX LIBRIS

Vittorio Magnago Lampugnani und Adam Caruso

Am 27. November fand eine weitere Veranstaltung von EX LIBRIS statt, bei der Bücher aus der Bibliothek des Ungers Archiv für Architekturwissenschaft vorgestellt wurden. Prof. Dr. Vittorio Magnago Lampugnani, Architekt und Professor an der ETH Zürich sprach über das Buch von Camillo Sitte „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen", Wien 1901. Prof. Adam Caruso, Architekt und ebenfalls Professor an der ETH Zürich stellte zwei Bücher von Adolf Loos vor: „Trotzdem. 1900-1930", Innsbruck 1931 und „Ins Leere gesprochen. 1897-1900", Paris / Zürich 1921.

Bericht des Internetmagazins koelnarchitektur.de vom 03.12.2012, Autorin: Natalie Bräuninger

DER URSPRUNG DER STADT

„Ich freue mich über ein volles Haus, viele junge Gesichter, zwei herausragende Werke und zwei ebenso herausragende Gäste“, eröffnete Sophia Ungers den Abend „EX LIBRIS“ am 27. November 2012. Die Rede war von Camillo Sitte, Adolf Loos, Vittorio Lampugnani und Adam Caruso.

Lieblingsbücher

EX LIBRIS ist eine Veranstaltungsreihe des Ungers Archiv für Architekturwissenschaft (UAA). Zwei Architektengäste wählen aus der einzigartigen Ungers-Bibliothek ihr „Lieblingsbuch“ und stellen dieses dann dem Publikum vor. Die Wahl fällt sicher nicht leicht, denn die Bibliothek ist eine der wertvollsten und umfangreichsten Sammlungen zum Thema Architektur. Beginnend mit der Erstausgabe von Vitruvs "De Architectura Libri Decem“ von 1495 sind - größtenteils als Erstausgaben - die theoretischen Schriften sämtlicher Meister der Architektur wie zum Beispiel Palladio, Alberti, Piranesi und Vignola, bis zu den Baumeistern der Moderne dort vorhanden.

Architektengäste

Prof. Dr. Vittorio Magnago Lampugnani, Architekt und Professor an der ETH Zürich, wählte Camillo Sitte und sprach vor rund 80 Besuchern über „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen", Wien 1901. Prof. Adam Caruso, Architekt und ebenfalls Professor an der ETH Zürich stellte zwei Bücher von Adolf Loos vor: „Trotzdem. 1900-1930", Innsbruck 1931 und „Ins Leere gesprochen. 1897-1900", Paris / Zürich 1921.

Lampugnani und Sitte

„Ich habe Sitte aus rein biographischen Gründen gewählt“, erklärte Vittorio Lampugnani zu Beginn. Der 1951 in Rom geborene Lampugnani studierte in Rom und Stuttgart. Und genau dort, in Stuttgart, lernte er Sitte als „Symbol für Urbanismus“ als Teil der „Stuttgarter Schule“ kennen. „Es ist ein kleines, dünnes Buch mit weniger als 200 Seiten, aber ich habe viel daraus gelernt und es hat mich mein Leben lang begleitet“, so Lampugnani weiter. Und dieses Leben hatte bisher schon viele Stationen: 1980 gründete er sein eigenes Büro, 1984 war er Professor in Harvard, von 1990-95 Herausgeber von „Domus“, 1990-94 zudem Direktor des DAM, 2005-2007 Vorsteher des Netzwerks Stadt und Landschaft sowie seit 2008 Vorsteher des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich – um nur ein paar zu nennen.

Sitte wolle schöne Plätze studieren, um zu verstehen, warum diese so wundervoll sind, so die Vorrede des Buches. Aber laut Lampugnani macht der Autor weit mehr als das: Sitte will zeigen, wie man historische Situationen auf andere Gegebenheiten adaptieren kann. Er versucht, sein Wissen zu systematisieren und es damit für andere zugänglich zu machen. „He shows, that urban design needs not tob e re-invented“, so der Italiener.

Caruso und Loos

„Ich studierte in Montreal – einer wirklich langweiligen Schule”, begann Adam Caruso seine Buchvorstellung von Adolf Loos. „Aber trotzdem hat mich unser erstes Projekt – der Beschäftigung mit Adolf Loos - dort so geprägt, dass ich zu dem Architekten von heute geworden bin.“ Mit leuchtenden Augen berichtet Caruso von seiner Annäherung an Loos. Seiner Begeisterung für dessen journalistischen Schreibstil. Seiner Beziehung von Architektur und Gesellschaft. „Loos locates architecture in the middle of the culture“, so Caruso und wurde so zu einer Art Bibel für den 1962 in Canada geborenen Architekten.

Gerade die Innenräume von Loos, sein Raumplan, haben bis heute einen großen Einfluss auf die Projekte von Caruso. So sei die New Art Gallery Walsall ein „giant Loos project“, mit einem ins Dreidimensionale übersetzten Raumplan. Und auch beim Museumsprojekt für Tate Britain, einem spät-viktorianischen Gebäude mit neuem Innenleben, hat er Ideen von Loos integriert.

Der Ursprung der Stadt

Charmant diskutieren die beiden Architekten am Ende die möglichen Gemeinsamkeiten von Sitte und Loos. Wie bei zwei junge Studenten werden Theorien erörtert, vertieft und wieder verworfen. Ein schelmisches Augenzwinkern ist in Lampugnanis Gesicht zu sehen, ein breites Grinsen bei Caruso. Die beiden haben sichtlich Spaß. Und man kann sich gut vorstellen, mit welchem Lausbubencharme die beiden ihre Karriere begonnen haben. Sitte sei einfach und auf den Punkt, Loos ein Polemiker, Teil der modernen Aristokratie. Aber trotzdem: „Es ist interessant, wie die beiden komplett unterschiedlichen Personen in dem Moment, wo es um den reinen Städtebau geht, Gemeinsamkeiten, eine Art Kongruenz aufweisen“, so Lampugnani über die alten Meister. Und Caruso gibt ihm recht: „Sie bewegen sich in einer ähnlichen Sphäre und sie schauen beide zum Ursprung der Stadt.“

Rückblick und gute Vorsätze

Was für ein Abend. Vier große Architekten in einer wundervollen Atmosphäre voll von Inspiration und Kreativität. Ein Anreiz, mal wieder ins Bücherregal zu schauen. Und alte Schätze auszugraben.

Anm.d Red.: Die Zitate wurden sinngemäß vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Die Veranstaltung fand statt durch die freundliche Unterstützung von

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