2012-01-16

Die Architektonik des Möbels

Möbel von O.M. Ungers seit 1950

Vom 16.01. - 12.02.2012 fand die erste Ausstellung mit dem Titel „ Die Architektonik des Möbels - Entwürfe von O.M. Ungers seit 1950 “ im Ungers Archiv für Architekturwissenschaft statt. Die Ausstellung im UAA thematisierte den Entwurfsprozess und die Bedeutung von Möbeln im Werk von O.M. Ungers.

Bericht des Internetmagazins koelnarchitektur.de vom 23.01.2012, Autorin: Uta Winterhager

Kreis Quadrat Leonardo

Die Architektonik des Möbels - Möbel von O.M. Ungers seit 1950

Neben seiner Bau- und Lehrtätigkeit hat O.M. Ungers immer auch Möbel entworfen. Für den eigenen Bedarf, aber auch zur Einrichtung und Vervollständigung seiner übrigen Bauten. Nicht immer sind Architektur und Möbel so untrennbar miteinander verknüpft wie in Ungers privatem Wohnhaus im Kämpchensweg, doch der Begriff des „Gesamtkunstwerkes“ wird im Zusammenhang mit Ungers Szenarien auffallend häufig verwandt.
Parallel zu der im MAKK gezeigten Architektenmöbel-Schau „Von Aalto bis Zumthor“ eröffnete das Ungers Archiv für Architekturwissenschaft (UAA) unter dem Titel „Die Architektonik des Möbels“ seine erste Ausstellung, die dem Entwurfsprozess und der Bedeutung der Möbel im Werk von O.M. Ungers gewidmet ist.

Kreis und Quadrat

Im Zentrum der Ausstellung, die in Ungers Büro- und Wohnhaus in der Belvederestraße gezeigt wird, steht der Stuhl „Leonardo“, den Ungers von 1991 – 2000 aus der Geometrie der vitruvianischen Figur entwickelt hat: die Lehne ein Kreisausschnitt, die Sitzfläche in Quadrat. Zur Verdeutlichung dieser Geometrie ist ein Stuhl in der Ausstellung an der Wand montiert, die Zeichnung als Projektionsfläche dahinter. Wie die Entwurfsskizzen und die ausgestellten Modelle zeigen, hat Ungers „Leonardo“ in unterschiedlichen Varianten für verschieden Projekte herstellen lassen, von denen eine bis heute in Serie produziert wird.

Die Sessel „Cubo“, aus dem Würfel entwickelt, und „Sfera“, mit halbkreisförmiger Rückenlehne, entwarf Ungers 1989 zunächst für sein eigenes Atelier- und Wohnhaus Glashütte in der Eifel. Die Sessel aus Kirschbaum mit schwarzem Lederpolster, die sich auch zu einem Sofa gruppieren lassen, wurden mit Beistelltischen zu einer Serie vervollständigt. Sehr eindrucksvoll ist die „Cubo“-Möblierung der Residenz des Deutschen Botschafters in Washington, wie die Fotodokumentation zeigt.

Objekt zwischen Möbel und Architektur

Den für diese Ausstellung „campanile“ genannten Turm hat Ungers 1984 für die Triennale in Venedig entworfen. Sechs aufeinandergestapelte Würfel stellen ein kleines (2,34 m hohes) Hochhaus dar und wirken demzufolge sehr architektonisch, eine Herangehensweise, die durch die Entwurfs- und Konstruktionszeichnungen belegt wird. Jeder der Würfel bietet mindestens eine Funktion, so kann man dieses Objekt als Musikbox, Schreib- oder Lesepult, als Stehlampe oder Garderobe nutzen. Auch in den Oberflächen verdichtet sich der Ungers Kosmos, in Quadraten aus weißem Schleiflack, schwarzem Leder, Messing, Fliesen, Spiegeln und zitiert sich selbst. Dieses Unikat stand zunächst in Venedig und wurde anschließend von Ungers erst in Köln, später in der Eifel genutzt.

Für sein Privathaus im Kämpchensweg hat Ungers sämtliche Möbel entworfen. In der Ausstellung werden exemplarisch vier Turmmöbel gezeigt, bei denen er die Idee des „Campanile“ wieder aufgenommen hat. Der Malerturm, der Leseturm, der Globusturm und der Medienturm sind eng mit dem Entwurf des Hauses verknüpft und unterliegen der gleichen modularen Rasterstruktur. Als Türme fordern sie Freiraum und lassen sich nicht wie ein gewöhnliches Möbelstück an die Wand schieben - nicht nur weil sie von allen Seiten benutzbar sind, auch weil ihre formale Strenge nur ihresgleichen neben sich erlaubt. Gemeinsam ist ihnen die Grundstruktur aus zwei übereinanderliegenden Würfeln aus dunklem Holz, unterschieden werden sie durch ihre Funktion. Weitere Möbel aus dem Kämpchensweg sowie die gesamte Einrichtung dokumentiert die ausliegende Fotomappe.

Ungers Möbel scheinen eigenen Kriterien zu folgen, sind sie doch durch ihre speziellen Qualitäten eng an den Ort gebunden, für den sie entworfen wurden. So klingt es fast falsch, sie als Möbel zu bezeichnen, eher sollten sie der Architektur zugeordnet werden. Hierauf verweißt auch der Titel der Ausstellung, denn Architektonik wird als die „Bezeichnung für die Wissenschaft vom Bauenes“ verwendet. Auch wirken sie nicht unbedingt einladen und bequem, erlauben kein Fläzen oder Lümmeln, sondern lassen nur die aufrechte Nutzung oder keine zu.
Im Ungers Kosmos herrschen eben eigene Regeln.

Zur Ausstellung ist eine bebilderte Publikation von Bernd Grimm mit dem Titel „Möbel als Metapher“ und einem philosophischen Text von Dr. Peter Foos (Universität Köln) erschienen.

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