2013-03-22

EX LIBRIS

Rem Koolhaas und Stephan Trüby

Am 22. März fand eine weitere Veranstaltung von EX LIBRIS statt, bei der Bücher aus der Bibliothek des Ungers Archiv für Architekturwissenschaft vorgestellt wurden. Es sprachen Prof. Rem Koolhaas, Architekt und Dr. Stephan Trüby, Architekt und Theoretiker.

Fotos zu der Veranstaltung können Sie unter heidrunhertel.de sehen.

Bericht des Internetmagazins koelnarchitektur.de vom 25.03.2013, Autorin: Uta Winterhager

Ex Libris im UAA mit Rem Koolhaas und Stephan Trüby

Schon ein großer Name genügte und die Zahl der Anmeldung zur neunten Ex Libris Veranstaltung überstieg die räumlichen Kapazitäten des Ungers Archivs für Architektur in der Müngersdorfer Belvederestraße. So viele wollten Rem Koolhaas und Stefan Trüby sehen und hören, dass man in die Bibliothek der „casa senza qualità“ ausweichen musste. Und so ergab es sich, dass dieses wunderbare Haus ohne Eigenschaften, das inzwischen im Besitz der „Dr. Speck Stiftung“ ist, der Veranstaltung am 22. März 2013 nicht nur einen besonderen Rahmen gab, sondern als dritter Star des Abends bewundert werden durfte.

Trüby und Friedell: Verbotene Worte

Stefan Trüby (*1970) lehrt Architekturgeschichte und -theorie an der Harvard University und leitet den Postgraduierten-Studiengang Spatial Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Nach seiner Promotion bei Peter Sloterdijk hat er zahlreiche Bücher zur Architekturtheorie veröffentlicht. Aus den rund 12.000 Werken der Ungers Bibliothek wählte er die 1927 – 31 in drei Bänden erschienene „Kulturgeschichte der Neuzeit“ von Egon Friedell. Dieser historische Abriss, der ohne Anwendung geschichtswissenschaftlicher Methoden entstanden und demzufolge mit zahlreichen Fehlern durchsetzt ist, beginnt mit der Pest 1348 und endet mit dem Ersten Weltkrieg 1914. Trüby stellte dieses Werk als die subjektive Sichtweise eines Dichters, Schauspielers und Komödianten vor, den man – so seine Vermutung - würde er heute leben, wohl bei RTL sehen würde.

Einen Bezug zu Ungers bietet dieses Buch zunächst als Bestandteil seiner Bibliothek. Ungers hat es ausgewählt und aufgenommen, obwohl es sich nicht mit architektonischen Inhalten befasst. Darüberhinaus sah Trüby in der Radikalität, der Übertreibung, mit der Friedell gearbeitet hat eine gewisse Nähe zu Ungers Arbeitshaltung.

Acht Textstellen zitierte Trüby aus dem Buch, die ebenso überraschend, wie auch unterhaltend waren. Stichworte wie „Dilettantismus“, „Übertreibung“, „Krankheit“, „Imperfektion“ und „Unvollständigkeit“, von denen man immer dachte, sie seien in Ungers Häusern wohl verboten, wurden in Friedells Werk zu Leitlinien unserer Kulturgeschichte erhoben. Nur beim letzten Punkt, der „Hypertrophie“ schien es, als hätte Trüby einen großen Teil der Zuhörer inhaltlich verloren und so ganz schlüssig wurde es nicht, dass ausgerechnet die aus der medizinischen Fachsprache übernommene „Übersättigung“, eines von Ungers Lieblingsworten gewesen sei.

Koolhaas und Ungers: Bühne und Labor

Rem Koolhaas (*1944) wählte Ungers „Veröffentlichung der Architektur“ zur Vorstellung an diesem Abend. Diese A4-formatige einfache Broschüre hatte Ungers nach seinem ersten Jahr als Professor in Berlin publiziert. Damals kannten sich Ungers und Koolhaas noch nicht, erst einige Jahre später trafen sie sich an der Cornell University in Ithaka, New York, an der sich Koolhaas eingeschrieben hatte, um bei Ungers zu studieren.
Bemerkenswert ist, so beschreibt es Sophia Ungers in ihrer Vorstellung, dass Koolhaas im Laufe der Zeit nicht nur einer der wenigen Kollegen gewesen ist, die ihr Vater neben sich gelten ließ, sondern sogar zu einem guten Freund ihrer Eltern wurde.

Doch Koolhaas erzählte nicht von dem Ungers, wie ihn viele Zuhörer vielleicht selbst noch gekannte haben, sondern von einem rigorosen und avantgardistischen Denker, „der nach Berlin gekommen ist, als die Stadt wie eine Bühne für ihn vorbereitet war“. Er zeigte Bilder aus der Veröffentlichung, die ihm als sehr kraftvoll oder einfach als absurd aufgefallen waren. Ungers, der, so Koolhaas die Dinge erkennen und betrachten konnte, wie sie waren, hatte Berlin nicht nur als Bühne, sondern auch als Labor genutzt. Er dokumentierte den Effekt des Krieges auf Berlin als ästhetische Qualität und überlagerte die Zeichnungen und Karten mit komplexen linearen Systemen, mit Gittern und Rastern, wie sie später seine Entwurfsarbeit maßgeblich beistimmt haben.

Das Besondere der Ex Libris Reihe sind nicht nur die Bücher-Schätze, die sie zutage fordert, sondern der subjektive Mehrwert, den die literarischen Fundstücke durch die Perspektive des Vorstellenden gewinnen. Dass bestimmte Fragen - nicht zuletzt auch die nach der Hypertrophie in Ungers Werk - unbeantwortet blieben oder nur der Selbstinszenierung dienten, kann man an einem solchen Abend gerne einmal hinnehmen.

EX LIBRIS fand statt durch die freundliche Unterstützung von

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